2016-01-26

Die Zukunft heißt Blivet

[The Future is Blivets]
[Il futuro è nel Blivet]
[L’avenir est aux blivets]
[先物取引はブリヴェットなり]

Falls Sie gut aufgepaßt haben sollten, werden Sie womöglich bemerkt haben, daß die globalen Finanzmärkte derzeit im Kernschmelze-Modus arbeiten. Allem Anschein nach hat die Welt des Produzierens von Dingen den Punkt der abnehmenden Erträge erreicht. Es gibt einfach von allem zu viel, seien es Ölquellen, Container-Schiffe, Wokenkratzer, Autos oder Häuser. Deswegen hat die Welt auch den Punkt schwindender Erträge erreicht, was das Aufnehmen von Krediten betrifft, um noch mehr Dinge herzustellen und zu verkaufen, weil das, was wir herstellen, nicht mehr verkäuflich ist. Und weil es nicht verkäuflich ist, sinken und sinken die Preise für Dinge, die wir schon hergestellt haben, wodurch ihr Wert als Sicherheit für Kredite sinkt, was das Problem nochmal zusätzlich verschlimmert.

Eine Lösung, die vorgeschlagen wird, ist der Übergang von einer Wirtschaft der Industrie-Produktion zu einer Dienstleistungs-Wirtschaft. Ein Beispiel: Anstatt Dingsbums herzustellen, geben wir einander Rücken-Massagen. Das funktioniert ausgezeichnet, in der Theorie. Die Rücken-Massagen- Industrie erzeugt keine standig wachsenden Lagerbestände an Rücken-Massagen, die dann irgendwann losgeschlagen werden müßten. Trotzdem gibt es ein paar Probleme bei diesem Plan. Das erste Problem: Zu wenige Leute haben genügend Geld für die Bezahlung von Rücken-Massagen gespart, also müßten sie ihre Rücken-Massagen auf Kredit kriegen. Ein weiteres Problem besteht darin, daß eine Rücken-Massage im Unterschied zu einem Dingsbums kein Produktionsmittel darstellt - sie hilft nicht bei der Rückzahlung des Geldbetrags, den wir leihen mußten, um die Rücken-Massage zu bezahlen. Zum guten Schluß ist es dann noch ein Problem, daß eine Rücken-Massage, ist sie erst einmal vorbei, keinen besonderen Marktwert mehr darstellt. Man kann sie weder versteigern, noch kann man sie als Sicherheit für einen Kredit verwenden.

Ernste Probleme, für die eine von manchen vorgeschlagene Lösung die ist, gute und gut bezahlte Arbeitsplätze zu schaffen, durch die Geld in die Taschen der Leute gelangt, Geld, das sie für Rücken-Massagen ausgeben können. Das tut man am besten, indem man in Produktivitäts-Steigerung investiert: In Bildung, in Hochtechnologie und so weiter. Die Idee ist intuitiv naheliegend: Produktive Arbeiter sind besser beschäftigbar als unproduktive, weil die von ihnen produzierten Dinge am Ende billiger sind, und die Menschen es sich leisten können, mehr davon zu kaufen. Ob sie auch tatsächlich mehr davon kaufen, darüber kann man geteilter Meinung sein, besonders, wenn es von den produzierten Dingen schon mehr als genug gibt und niemand Geld gespart hat, um sie zu kaufen. Trotzdem, es ist eine schöne Theorie, die wirklich gut klingt.

Eigentlich schade, daß auch diese wohlklingende Theorie eher wenig gut zu funktionieren scheint: Egal wieviel Geld wir in Automatisierung investieren - in Roboter-Montagebänder, in Internet-basierte Virtualisierung, oder was sonst - irgendwie will die Zahl der arbeitslosen Arbeitsuchenden einfach nicht sinken. Und mit fahrerlosen Autos ist es noch viel schlimmer! In der Theorie sind sie eine großartige Sache: Wenn die Fahrerin nicht am Steuer zu sitzen braucht, kann sie stattdessen die Fahrzeit nutzen, um ihren Mitfahrern Rücken-Massagen zu geben. Nur ist es komischerweise ganz egal, wieviel Geld wir in die Entwicklung von fahrerlosen Autos pumpen, die Zahl der arbeitslosen Fahrer oder die Zahl der arbeitslosen Masseure will und will einfach nicht kleiner werden.

Sollten wir in dieser Situation Schluß damit machen zu versuchen, die Nachfrage durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu stimulieren und einfach jedermann darben lassen, so bleiben uns immer noch die Reichen, auf die wir unsere Hoffnung setzen können. Es gibt Reiche, die sind so reich wie ganze Königreiche! Die können doch bestimmt für alle anderen mitkonsumieren und die Wirtschaft zum Brummen bringen?! Leider stellt es sich heraus, daß es für einen einzelnen Reichen ausgesprochen schwierig ist, so viel zu konsumieren wie ein ganzes Königreich. Damit das möglich würde, müßte er seinen Mitmenschen für das sozusagen stellvertretende Konsumieren Geld geben. Aber wenn andere Leute das Geld der Reichen genauso ausgeben können wie eben jene, dann verliert das ganze Konzept von "Reichsein" irgendwie seine Attraktivität: Das ganze Streben, reicher zu werden als alle anderen, die ganze harte Arbeit, Mitmenschen zu beschwindeln und auf den Märkten Geld zu ergaunern würde sich als vergeblich erweisen.

* * *


Aber es gibt eine Lösung, die so verblüffend einfach und elegant ist, daß da doch bestimmt schon jemand darauf gekommen ist?! - Nicht? Dann notieren Sie bitte: Ich bin der Erste!


Ein Blivet

Die Lösung ist die: Verkaufen Sie alles und decken Sie sich mit Blivets ein. Blivets sind geometrisch unmögliche Objekte: Man kann sie zeichnen, aber es liegt in ihrer Eigenart, daß man sie nicht herstellen kann. Das löst eines der größeren Probleme des Futures-Marktes, das darin besteht, daß die Leute die physische Lieferung der von ihnen als Futures gehandelten Dinge verlangen können. Das bedeutet, daß das spekulativ gehandelte Zeug existieren muß, was wiederum bedeutet, daß das, was manche Leute tollkühn "die Realwirtschaft" nennen, tatsächlich existieren muß. Wie lästig!

Der Gold-Futures-Markt zum Beispiel handelt 300 mal mehr Gold als physisch existiert. Das bedeutet: Wenn nur 0,3% der Futures-Kontrakte zu Lieferungen von Gold führen würden, wären die Lagerkeller leer, und es gäbe nichts mehr zu handeln. Das Fürchterliche ist nun, daß es solche unvernünftigen Leute, die die Lieferung ihres Goldes verlangen, tatsächlich gibt: die Chinesen, die Russen und verschiedene weitere Nationen, die viel Bargeld haben oder US-Schatzbriefe liquidieren, tun es die ganze Zeit. Den einen oder anderen "Regime-Change" zu organisieren und die Gold-Reserven von so manchem Land zu plündern, ist in dieser Situation eine kleine Hilfe (der Irak, Libyen, und die Ukraine sind schon geplündert worden; Syrien hätte inzwischen auch geplündert sein sollen, wären dem nicht die verteufelten Russen in die Quere gekommen!). Trotzdem ist absehbar, daß das schlußendliche Ergebnis nur "höhere Gewalt" sein kann: Irgendjemand will sich sein Gold liefern lassen, aber die Lager sind leer.

Ein ähnliches Problem gibt es auf dem größten Futures-Markt der Welt, dem für Rohöl. Hier haben die Händler sich eine gute Zeit gegönnt, indem sie eine angenommene Erdöl-Flut dazu genutzt haben, den Preis für den Stoff immer mehr in die Tiefe zu drücken. Sie könnten ihn bis auf 1 Dollar absenken, aber was dann? Das Problem ist, niemand auf der Erde kann Öl so billig produzieren, also wird es eines schönen Tages dazu kommen, daß jemand aufgrund seines 1-Dollar-pro-Barrel- Kontrakts Lieferung verlangt, und die einzige Antwort wird ein Echo sein, während der Wind das Steppenläuferkraut über die aufgegebenen Ölfelder bläst.

Inzwischen sollten Sie die Moral dieser Geschichte erraten haben: Wenn Sie vorhaben, die gesamte Wirtschaft zur "vorübergehenden Sonderform" zu erklären - die Arbeiter/Verbraucher zusammen mit ihrer Produktions-Kapazität - dann gehen Sie besser dazu über, mit Dingen zu handeln, die auch vorübergehende Sonderformen darstellen, sonst riskieren Sie eine Implosion des Marktes, Deflation, Enthebelung und den finanziellen Kollaps in einer vierteiligen Kakophonie mit zahlreichen schreienden Refrains und einem schrillen, tumultuarischen Ende. Ich mache keine Scherze - Ich habe das Buch zu diesem Vorgang verfaßt.

Und genau hier wären Blivets eine unschätzbare Hilfe! Ein Blivet ist definitionsgemäß immer ein "Papier-Blivet", weil ein "physisches Blivet" eine physische Unmöglichkeit darstellt. Würden Sie physische Lieferung ihrer Blivets verlangen, würden Sie die Leute einfach auslachen, sich mit den Fingern an die Stirn tippen und mit den Augen rollen. Das würde als genauso gaga angesehen, als würden Sie ihre Rechte gemäß der US-Verfassung verlangen, oder behaupten, sie verstünden die Logik ihres US-Steuerbescheids.

Blivets bestehen aus feinstem finanziellem Äther - sie sind noch ätherischer als Bitcoins (diese langen Ketten von magischen Bits, die ihren Wert einem Algorithmus, einer Block-Chain und einem "Coolness-Faktor" verdanken). Bitcoins sind auch ätherisch, aber sie müssen physikalisch mit großem Verbrauch an Elektrizität erzeugt werden, sie erfordern den Betrieb großer Computer-Farmen, was zu einem massiven Problem führt: Bitcoins sind knapp.

Nun gibt es zwar Leute, die behaupten, es sei genau Knappheit, die Dingen Wert verleihe, aber das ist ganz klar Unfug. Sehen Sie sich mal den US-Dollar an: Die Menge der Dollars wurde jenseits aller Proportionen im Verhältnis zur US-Wirtschaft vermehrt, aber hat es vielleicht Hyperinflation gegeben? Natürlich nicht! Das Problem ist nämlich garnicht das Drucken von Geld. Zum Problem wird Geld erst, wenn man es Marianne und Max Mustermann von der Straße gibt, die nicht wissen, daß sie es nur in Blivets investieren sollten. Stattdessen neigen diese beiden dazu, lauter wirtschaftlich schädliche Dinge mit dem Geld anzustellen. Sie kaufen beispielsweise Lebensmittel für ihre Kinder damit oder sie bezahlen damit die Heizkosten für ihr Haus für den Winter. Das ist es, was Hyperinflation erzeugt und nicht das Gelddrucken! Beim Gelddrucken gibt es überhaupt nur zwei Probleme: Nicht genug Geld drucken, oder es nicht schnell genug drucken.

Es gibt noch ein paar Probleme mit der vorgeschlagenen Blivetisierung der Weltwirtschaft, aber die sind mit geringfügigen Finanz-Innovationen lösbar.

Erstens gibt es das Problem, daß der Blivet-Futures - Markt möglicherweise sinken statt steigen könnte. Wir mögen es nicht, wenn Märkte sinken, wie also können wir verhindern, daß es dazu kommt? Hier ist eine Idee: Wir führen den sogenannten Schrödinger-Blivet ein. Wenn Sie Blivets-Verkaufskontrakte halten, so kann Ihr Clearing-Haus bei Auslaufen Ihres Kontrakts verlangen, daß Sie liefern müssen; in diesem Fall gilt eine einfache Regel: Per Münzwurf wird ausgelost, ob Ihre Blivets existieren oder ob nicht. Das macht es für die, die Blivets leerverkaufen, nötig, eine ziemlich hohe Reserve an Blivets vorzuhalten, was ihr Interesse, den Markt zu zerstören, deutlich verringern dürfte. Auf diese Weise könnte es zwar vorkommen, daß die Blivet-Kurse eine Zeitlang stagnieren, aber auf längere Sicht gesehen sollten sie eintönig ansteigen.

Das zweite Problem besteht darin, eine Antwort auf die Frage zu finden, woher das zusätzliche Kapital kommt, das in Blivets versenkt werden soll. Sie haben allen Besitz veräußert und ihn in Blivets investiert - aber wie soll der Blivet-Markt jetzt expandieren? Wenn er nicht expandiert, gibt es einen Mangel an Wachstum, und wir mögen es nicht, wenn es kein Wachstum gibt. Wenn alle anderen Produktions-Kapazitäten stillgelegt sind und außerhalb des Blivet-Markts keine Kapitalüberschüsse mehr erwirtschaftet werden, woher soll dann das Kapital für neue Blivet-Käufe kommen? Hier ist eine Idee: Selbst-Rückhypothekarisierung. Wenn Sie also Blivets als Sicherheit für einen Kredit verbürgen (den man natürlich in Blivets investiert), dann kann dieser Kredit automatisch wieder als Sicherheit für ein weiteres Darlehen verwendet werden.

Durch diese beiden Finanz-Innovationen sollten die Blivet-Kurse in kürzester Zeit in den Himmel schießen - und das sollte sich fortsetzen. Die Blivet-Kurse könnten sogar so sehr hochschießen, daß es nötig werden könnte, sie in wissenschaftlicher Schreibweise zu notieren anstatt in simplen Dezimalzahlen. Nach einiger Zeit könnte es sogar sinnvoll sein, die Mantisse wegzulassen und nur noch den Exponenten zu anzugeben. Schließlich könnte die Zahl der gehandelten Blivets durch das Wegfallen aller physikalischen Einschränkungen unbegrenzt ansteigen, bis sie die Zahl der Atome im beobachtbaren Universum überstiege!

Problem gelöst! Für mich 1082 Blivets, bitte!